Rüdiger Göbel
Erst Stasiknast in Hohenschönhausen, dann die
Rosa-Luxemburg-Konferenz der jW: »Ich wurde zum 2. Mal
Opfer«, klagt Frieder Weiße in der Bild vom Dienstag.
Der 66jährige Berliner (1968 in der DDR als Spion verhaftet
und zu 15 Jahren Haft verurteilt) ist Landesvorsitzender der
Vereinigung der Opfer des Stalinismus, kurz VOS, und war am Samstag
zusammen mit der früheren CDU-Bundestagsabgeordneten Vera
Lengsfeld und der Rechtsaußengruppe »Pro
Deutschland« vor der »Urania« aufmarschiert, um
gegen die dort stattfindende Debatte »Wo bitte geht’s
zum Kommunismus?« zu protestieren. Es gab eine kurze
»Rangelei« (Polizeibericht) mit Neonazigegnern vor dem
Versammlungsort. Weiße kam mit einem blauen Auge davon,
wofür er wiederum Gesine Lötzsch persönlich meint
verantwortlich machen zu können. Mit einer bizarren
Strafanzeige gegen die Linke-Chefin hat er es am Montag
schließlich in mehrere Nachrichtenagenturen und damit in die
überregionalen Zeitungen geschafft. Nach dem Angriff auf ihn
seien die Täter in die »Urania« geflüchtet,
behauptet Weiße, und: »Die Vorsitzende der Linkspartei
hat dies nicht verhindert.« Sein Vorwurf:
Strafvereitelung.
Weiße und Co. waren gegen 16.20 Uhr vor der
»Urania« angerückt, Gesine Lötzsch kam erst
wenige Minuten vor ihrem abendlichen Auftritt auf der
Rosa-Luxemburg-Konferenz, konkret um 17.50 Uhr. Sie kam und ging
über den Hintereingang – zum Saal war wegen
Überfüllung kein anderes Durchkommen. Von der kleinen
Auseinandersetzung eineinhalb Stunden zuvor wußte
Lötzsch, wie die meisten anderen der 2200 Konferenzbesucher,
nichts.
Ein kurzer Anruf beim Konferenzveranstalter
junge Welt
hätte geholfen, die ganze Absurdität der Anschuldigung
aufzuklären und Weißes Anzeige als billigen Versuch
abzutun, Schlagzeilen zu machen. Kein einziger Journalist hat
nachgefragt.
Die Berliner Staatsanwaltschaft geht derweil Ausführungen Inge
Vietts auf der »umstrittenen Rosa-Luxemburg-Konferenz«
(AFP) nach. Auf der Podiumsdiskussion hatte das frühere
Mitglied der Bewegung 2. Juni und der RAF das
»Abfackeln« von Bundeswehrausrüstung als legitime
Antikriegsaktion bezeichnet. Staatsanwaltschaftssprecher Martin
Steltner bestätigte am Dienstag eine Meldung der
Rechtspostille Junge Freiheit vom Vortag, wonach geprüft
werde, ob ein Anfangsverdacht wegen der Aufforderung zu Straftaten
vorliegt.