Dietmar Koschmieder
140 Medienvertreter und zwölf Kamerateams zeigten auf der Konferenz großes Interesse an den Diskussionen. Widergespiegelt wurden sie allerdings nicht
Foto: Gabriele Senft
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Am Donnerstag besuchten Redakteure des polnischen Fernsehens die
junge Welt. Am Freitag kamen französische Kollegen.
Zwar gibt es in Deutschland kaum politische Medien, die dieser Tage
nicht über die Rosa-Luxemburg-Konferenz und die Diskussion
»Wo bitte geht’s zum Kommunismus?« berichtet
haben. Aber nur eine deutsche Redaktion hat auch bei
junge
Welt nachgefragt. Alle anderen wissen auch so, wie Konferenz,
Äußerungen von Frau Lötzsch und Provokationen am
Rande der Konferenz zu beurteilen sind. Daß die meisten dazu
noch nicht einmal den jW-Beitrag von Gesine Lötzsch vom
3.Januar zur Vorbereitung der Diskussion gelesen haben gehört
zur Normalität in der deutschen Medienlandschaft: Wichtig ist
nicht, was jemand gesagt hat, sondern was man hineininterpretiert.
Wenn das Wort »Kommunismus« auftaucht, ohne sofort
einen negativen Kontext herzustellen, können offensichtlich
viele nicht mehr weiterlesen. Das führt dann zu Meldungen, wie
sie die Bild am 6. Januar 2011 veröffentlichte: »Wie nah
steht Linkspartei-Chefin Gesine Lötzsch (49) Kommunismus und
Terrorismus? (...) Themenwahl und Zusammensetzung der
›Konferenz‹ genannten Zusammenrottung von
Linksextremisten sind ein Schlag ins Gesicht aller Opfer von RAF,
DDR, Stasi und Stalinismus (…) Zuletzt hatte Lötzsch
mit einem Artikel für die marxistische
junge Welt
für Aufregung gesorgt. Darin erklärt sie die Errichtung
des Kommunismus zum Ziel ihrer Partei.« Platter
Antikommunismus, wie man ihn seit Jahren kennt. Neu an diesem und
ähnlichen Beiträgen ist nur, daß diesmal die
junge Welt und die Rosa-Luxemburg-Konferenz als Quelle und
Veranstalter korrekt genannt werden.
Erstaunlich ist eher der Antikommunismus, der aus bisher
linksliberal verorteten Medien schwappt. Christian Bommarius
zum Beispiel hat den Lötzsch-Artikel gelesen und sich sogar
die Mühe gemacht, die Rosa-Luxemburg-Konferenz zu besuchen.
Was er in der Frankfurter Rundschau (und in gekürzter Form in
der Berliner Zeitung) am 11.Januar zum besten gibt, schreibt er
deshalb wider besseren Wissens: »Am vergangenen Wochenende
haben rote Faschisten sich in Berlin zur Diskussion
getroffen«, schätzt er ein. Mobilisiert wird für
diese Veranstaltung von Gewerkschaftern, Freidenkern, Medien und
Vereinen, Solidaritätsgruppen und sozialen Bewegungen. Sie
kommen aus Ost und West, sind jung und alt, arme Schlucker und
vermögend. Sie alle eint die Erkenntnis, daß der
Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte ist. Höchstens das
Ende der Menschheit, wenn es nicht gelingt, eine Alternative zu
etablieren. Genau darüber wurde auf dieser Konferenz
nachgedacht. Und dazu wurden Gäste eingeladen wie der
Publizist Moshe Zuckermann, der grüne Linke Gaspár
Miklos Támás, führende Gewerkschafter aus
Griechenland und Irland und ein venezolanischer Botschafter. Alle
rote Faschisten?
Mariam Lau besuchte im Auftrag der Wochenzeitung Die Zeit ebenfalls
die XVI.Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz. In der Ausgabe
vom 13.Januar kämpft sie für einen konsequenten
Antikommunismus. Die Konferenz wird als
»Kommunismus-Messe« beschrieben, die Partei Die Linke
als Großexperiment, das wegen Unaufrichtigkeit, Sektierertum,
Selbstekel gescheitert sei, Gesine Lötzsch habe den
Kommunismus ausgerufen. Frau Lau geht aber noch einen Schritt
weiter: Die sogenannten Reformer der Linkspartei seien keinen Deut
besser als Frau Lötzsch. Als Beleg muß Jan Korte
herhalten, obwohl er einer der ersten war, der sich von Frau
Lötzsch distanziert hat. In seinem Buch »Instrument
Antikommunismus« habe er geschrieben, daß man
antikommunistische Ideologie nur von einem unzweifelhaft
antistalinistischen Standpunkt zurückweisen könne.
»Aber zurückweisen muß man sie. Das steht auch
für Reformer fest«, klagt Frau Lau in der Zeit an.
Frau Lau legt damit offen, daß es keineswegs um einen
konsequent antistalinistischen Standpunkt geht, sondern um puren
Antikommunismus. Die Opfer des sogenannten Stalinismus
interessieren nicht wirklich. Das größte Verbrechen der
Sowjetunion – und der DDR – ist keineswegs das, was den
gezählten und ungezählten Opfern angetan wurde. In
Wirklichkeit interessieren die bürgerlichen Medien diese
genausowenig wie die Opfer des Kapitalismus, seien es Opfer vieler
Militärinterventionen oder Millionen von Hungertoten und
anderer Opfer der verheerenden Profitgier bis heute. Die
Sowjetunion und die DDR haben gemeinsam mit den anderen
sozialistischen Ländern die freie Entfaltung des Kapitalismus
behindert, das war ihr größtes Verbrechen, und das wird
ihnen bis heute nicht verziehen. Da aber jede Entwicklung hin zu
einer sozialistischen oder gar kommunistischen Zukunft nicht
funktionieren kann, ohne die Profitlogik als bestimmendes Element
der gesellschaftlichen Entwicklung einzuschränken und zu
brechen, sind kommunistische und sozialistische Gedanken so
verdächtig. Vor allem wenn in der Bevölkerung die
Erkenntnis wächst, daß der Kapitalismus keine Zukunft
hat.
Das erkennen auch bürgerliche Kräfte immer mehr. Das
Nachdenken über die Zukunft nach dem Kapitalismus war noch nie
Privileg von Kommunisten und Sozialisten. Thomas Mann formulierte
das 1949 folgendermaßen: »Vor der zügellosen
Hysterie, in die ein Wort- und Wut-Fetisch wie Kommunismus heute
die Menschen versetzt, ist mir schon oft ein Grauen gekommen (...)
Der Antikommunismus als moralisches Agitationsmittel gegen die
Machtkombination, mit der Rußland die Zusammenfasssung von
zwei Dritteln der Hilfsmittel der Erde unter amerikanischer
Führung zu parieren versucht, ist innerlich kraftlos, solange
er kein Interesse zeigt an der Änderung einer Weltordnung,
unter der tausend Millionen Menschen Hunger leiden. Der Kommunismus
macht sich anheischig, dieser durch nichts mehr zu entschuldigenden
Weltordnung abzuhelfen. Solange die bürgerliche Welt der
kommunistischen Verheißung nichts anderes entgegenzustellen
hat als das Ideal des Profits und free enterprise in möglichst
vielen Ländern, solange wird es schlecht um unsere Aussichten
stehen, den Kommunismus aus der Welt zu schaffen.« (Thomas
Mann, »J’accuse«, 1949
Mariam Lau, Zeit:
www.zeit.de/2011/03/Linkspartei-Kommunismus
Christian Bommarius, Frankfurter Rundschau:
www.fr-online.de/politik/meinung/seltsame-gesellschaft-in-der-urania/-/1472602/5199084/-/index.html