Das Erwachen vollzieht sich in Etappen

Grußbotschaft von René González Sehwerert im Namen der Miami Five


Liebe Freunde, fast ein Jahrhundert nach ihrer grausamen Ermordung lasten die Übel, die Rosa Luxemburg bekämpft hat, noch immer auf der Menschheit. Die Wirtschaftsinteressen, Konflikte, Egoismen, die Einigung und Dissonanzen einiger weniger hängen wie ein Damoklesschwert über unseren Köpfen und verwandeln uns in Geiseln einer Art Glücksspiel, nach dessen Regeln es uns bei viel Glück möglich wäre, eines natürlichen Todes zu sterben. Die Verlierer sterben weiterhin an Hunger oder durch heilbare Krankheiten oder sie werden unschuldige Opfer kriegerischen Massenmords und möglicherweise – von ökonomischen Zwängen geleitet – enden sie als Henker ihrer Nächsten, indem sie töten und sterben, um den Forderungen des Kapitals zu genügen.

Unterdessen scheint sich das so ersehnte und notwendige Erwachen der Unterdrückten in Etappen zu vollziehen und man könnte sagen, daß uns das Mißtrauen untereinander leichter fällt als uns untereinander als Brüder anzuerkennen, die wir tatsächlich sind; gleich in unserem gemeinsamen Streben nach Frieden, Glück, Sicherheit, persönlicher Verwirklichung und menschlicher Würde.

Sind wir darauf vorbereitet, das zu vollbringen, was Rosa und die hervorragenden Revolutionäre ihres Zeitalters trotz ihrer Opfer und ununterbrochener Aufklärung nicht vermochten? Folgen wir nicht wie Dummköpfe einem politischen Establishment im Dienste des Kapitals, indem wir uns, Arbeiter um Arbeiter, befleißigen, ein kriminelles System ungleicher Beziehungen, der Kontrolle über Naturreichtümer und der Expansion bestimmter Märkte zu erhalten? Schicken wir uns nicht an, unseren eigenen Begriff der »Klasseneinheit« zu vernichten, wenn die Börsenkurse anzeigen, daß viele von uns überflüssig sind?

Heute, nach fast einem Jahrhundert, zeigen die Ideen und das Werk von Rosa Luxemburg eine Alternative: Nur eine Welt der Arbeiter und derjenigen, die vom Ergebnis ihrer Arbeit leben, kann eine Zukunft des Friedens und der Gerechtigkeit, von der das menschliche Überleben abhängt, bringen.

Hören wir auf, den Überfluß zu bewahren, mit dessen Resten sie uns lenken und manipulieren! Errichten wir die Kontrolle über die Reichtümer, die wir mit unseren Händen schaffen! Erkennen wir uns, alle Proletarier des Erdballs, wie Brüder unter Gleichen an, die wir so verschieden zu unseren Ausbeutern sind, auch wenn diese so sprechen, so scheinen und sich so geben wie wir!

Beenden wir unser Dasein als Objekte und werden wir zu Subjekten unserer Geschichte. Das ist die einzige würdige Ehrung für Rosa Luxemburg!

Aus fünf Gefängnissen der imperialen Macht. Immer vorwärts zum Sieg! Hasta la Victoria Siempre!

Gerardo Hernández Nordelo, Ramón Labañino Salazar, Antonio Guerrero Rodríguez, Fernando González Llort und René González Sehwerert


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